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Geschichten

Die Geschichte vom Schnuller-Wegzauberer

Es war einmal ein kleiner Junge, der liebte seine Schnuller. Ob beim Spielen oder beim Schlafen, beim Laufen, im Sitzen oder im Liegen - immer hatte er einen Schnuller im Mund. Deshalb hatte er auch ganz viele Schnuller: rote, gelbe, blaue, grüne, weiße und lila-farbene Schnuller; manche waren gemustert, andere waren mit Motiven bemalt: ein Zebra, ein Clownsgesicht, ein Polizei- und ein Feuerwehrauto, ein Löwe und ein Froschkönig und noch viele weitere.

Das alles wäre nicht weiter bemerkenswert gewesen, hätte der kleine Junge wenigstens beim Sprechen den Schnuller aus dem Mund gelassen. Wenn seine Mama ihn fragte: "was magst Du denn zum Frühstuck essen?", kam als Antwort nur ein Schnuller-Schmatz-Geräusch - "Schmatz, schmatz." Und wenn sein Papa abends von der Arbeit nach Hause kam und fragte: "Na, was hast Du denn heute so erlebt?", war die Antwort ebenfalls "schmatz, schmatz". Eines Tages war das so nervig für die Eltern, dass Sie gemeinsam riefen: "Wenn doch nur bald der Schnuller-Wegzauberer käme!"

Wenige Tage später spielte der kleine Junge mit seinen Spielzeugautos im Hof vor dem Haus. Mit dabei waren seine Schnuller. Da erschien etwas weiter oben in der Straße eine Gestalt. Sie war eingehüllt in einen langen roten Mantel, der von oben bis unten mit Sternen und Sonnen und Monden verziert war. Unter dem Mantel kuckten zwei Beine heraus, die in gelben Schuhen steckten. Und an der Spitze eines jeden Schuhs baumelte ein Glöckchen, das bei jedem Schritt lustig klingelte. Über dem Mantel kräuselte sich ein langer weiß-grauer Bart. Hoch oben auf dem Kopf saß ein runder Hut, der spitz zulief. Und am letzten Ende der Hutspitze war ein goldener Schnuller befestigt. Das war der Schnuller-Wegzauberer.

Der Zauberer beobachtete den kleinen Jungen ohne dass dieser ihn bemerkte. Der Junge ließ seine Autos eine Rampe hinuntersausen. Immer wenn ein Auto die Rampe runter fuhr, nahm der kleine Junge den Schnuller aus dem Mund, legte ihn beiseite, stopfte sich einen neuen Schnuller zwischen die Zähne und fuhr mit einem anderen Auto wieder die Rampe hoch. Dieses Auto raste wieder hinunter und das Schnullerwechselspiel begann von Neuem. Gerade rollte wieder ein Auto die Rampe hinunter und zwei Schnuller tauschten ihre Plätze - einer wanderte vom Mund auf den Boden und ein anderer wurde vom Boden aufgehoben und in den Mund gestopft. Der Zauberer war sich sicher: "Hier bin ich richtig." Und so sprach er seinen ersten Zauberspruch: "Abra kadabra, dreimal schwarzer Kater, Simsalabim und Fliegenbein, kleiner Junge schlaf nun ein."

Der kleine Junge hörte die Worte des Zauberers gar nicht - trotzdem wurde er müde. Er mußte sogar so fest gähnen, dass ihm der Schnuller aus dem Mund fiel! Das bemerkte die Mutter des Kleinen. Sie schnappte ihren Sohn mitsamt allen Schnullern und brachte ihn nach oben ins Bett für seinen Mittagsschlaf.

Der Schnuller-Wegzauberer folgte den beiden. Doch je näher er dem Haus kam, desto kleiner wurde er. Als er bereits im Haus war, an der Treppe zum Obergeschoss angekommen, da war er bereits so klein, dass er nicht mehr die Stufen hoch klettern konnte. Da öffnete er seinen Mantel und hielt ihn gestreckt wie die Flügel eines Vogels. Und siehe da, der Zauberer schwebte sogleich über die Stufen hinweg nach oben. Vor der Tür zum Zimmer des kleinen Jungen war der Zauberer bereits so klein mit Hut, dass er sogar durch das Schlüsselloch hindurch fliegen konnte!

Der kleine Junge schlief tief und fest. Da nahm der Zauberer wieder seine ursprüngliche Grösse an. Aus seinem Mantel holte er ein kleines Säckchen heraus. Er öffnete es und sprach den zweiten Zauberspruch: "Abra kadabra, dreimal schwarzer Kater, Simsalabim und Fliegendreck, alle Schnuller müssen weg!"

Wie an einer Schnur gezogen schwebte nun ein Schnuller nach dem anderen aus dem Kinderbett in das Säckchen des Zauberers. Nur mit dem Schnuller im Mund des kleinen Jungen hatte der Zauberer so seine Probleme - der Junge hielt ihn im Schlaf fest zwischen den Zähnen. Da griff der Zauberer beherzt zu, zog den Schnuller heraus und warf ihn zu den anderen in den mittlerweile prall gefüllten Sack. Auf diesen klopfte der Zauberer zweimal mit der flachen Hand, und schon wurde aus dem dicken Sack wieder das kleine Säckchen, das locker in die Manteltasche des Zauberers passte. Und so sprach der Zauberer seinen dritten Zauberspruch: "Abra kadabra, dreimal schwarzer Kater, Simsalabim und Fliegendreck, alle Schnuller sind nun weg!"

Es erschien vor dem Zauberer eine rosa Rauchwolke. Sie wuchs immer weiter bis sie den Zauberer ganz einhüllte. Schließlich wechselte die Wolke die Farbe zu blau und wurde wieder ganz klein, bis sie ganz verschwunden war - und mit ihr der Schnuller-Wegzauberer.

Nun wachte der kleine Junge auf. Dass alle seine Schnuller verschwunden waren, bemerkte er gar nicht. Er rief nach seiner Mama. Als sie herein kam, fragte sie ihn, ob er etwas essen möge. Da antwortete der kleine Junge: "Klar, Kaba und Kekse!" Von da an brauchte der kleine Junge nie mehr einen Schnuller: nicht zum Schlafen, nicht zum Spielen. Doch in seinem Zimmer, an der Fensterscheibe, da klebt in einer Ecke ein klitzekleines Fleckchen Fliegendreck.

 
 




 

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